- Wer ist das Bündnis „Eine S-Bahn für alle“?
- Muss die S-Bahn wirklich ausgeschrieben werden?
- Warum sind wir gegen die Ausschreibung?
- Was ist unsere Alternative?
- Aber der Senat hat sich doch schon über die Ausschreibung geeinigt?
- Aber die Vergabe muss schnell durchgeführt werden, damit rechtzeitig neue Züge zur Verfügung stehen?
- Aber der Bund und die DB lehnen doch den Verkauf der S-Bahn ab?
- Warum ist es wichtig, über die Ausschreibung zu sprechen?
Wer ist das Bündnis „Eine S-Bahn für alle“?
Das Bündnis „Eine S-Bahn für alle“, als breites Berliner Bündnis aus Gewerkschafter*innen, Akteuren der Klimabewegung und Mitgliedern verschiedener Parteien hat sich Anfang des Jahres gegründet. Dies als Reaktion auf die Ausschreibung der Berliner S-Bahn GmbH, so wie sie aktuell unter der Regie der grünen Verkehrssenatorin Regine Günther geplant ist. Hier gibt es mehr Informationen.
Muss die S-Bahn wirklich ausgeschrieben werden?
Nach unserem Verständnis muss die Ausschreibung mit sofortiger Wirkung gestoppt werden. Ein Abbruch ist rechtlich auch möglich. Jedoch richtet sich der Rot-Rot-Grüne Senat nach deutschem und europäischem Vergaberecht. Der Betrieb des Schienenpersonennahverkehrs wird im besten Falle direkt an ein kommunales Unternehmen vergeben. Dieses kann das System im Sinne der Kommune weiterentwickeln, die Beschäftigen haben eine unbefristete Arbeitsperspektive. In Berlin ist das bei der BVG (U-Bahn, Straßenbahn und Bus) der Fall. Bei der S-Bahn ist die Lage durch eine Kette politischer Fehlentscheidungen leider wesentlich komplizierter. Das Netz gehört der Deutsche-Bahn-Tocher DB Netz, der Betrieb der Deutsche-Bahn-Tocher S-Bahn Berlin GmbH. Der Senat hat dennoch drei Möglichkeiten:
- Ausschreiben und den Betrieb temporär an ein privates Unternehmen vergeben (konzessionieren).
- Den Betrieb direkt an ein eigenes (oder von ihm kontrolliertes) Unternehmen vergeben.
- Den Betrieb übergangsweise zu den bestehenden Bedingungen weiterlaufen lassen (dann müsste er sich jedoch mittelfristig selbst um die Beschaffung neuer Züge kümmern).
Warum sind wir gegen die Ausschreibung?
Die jahrezehntelange Vergabe von Konzessionen für die Teilnetze Nord-Süd und Ost-West (in jeweils zwei Teilaufträgen für Fahrzeuge und Betrieb) hätte viele Nachteile, sowohl für Beschäftigte als auch für Nutzerinnen und Nutzer:
- Keine langfristige Beschäftigungsperspektive, Folge: Fachkräftemangel insbesondere im Fahrdienst (sehr schlechte Erfahrungen in den Regio-Netzen anderer Bundesländer!).
- Schlechtere Arbeitsbedingungen durch Tarifflucht, massive Erschwerung zur Durchsetzung gewerkschaftlicher Rechte diverse Möglichkeiten zum Aufbau von Subunternehmerpyramiden.
- Privatisierung von Profiten in der öffentlichen Daseinsvorsorge (kein privates Unternehmen bewirbt sich auf eine öffentliche Ausschreibung, wenn es daran nicht verdient).
- Kein Interesse des privaten Betreibers, das Gesamtsystem aus volkswirtschaftlicher Perspektive oder im Sinne des sozial-ökologischen Umbaus der Stadt weiterzuentwickeln, z.B. durch Ausbau oder Taktverdichtung.
- Verlust öffentlicher Gestaltungsmöglichkeiten in der Daseinsvorsorge durch Bindung an langfristige Verträge mit Privaten.
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- Mit „Wettbewerb auf der Schiene“, wie eine solche Konzessionierung häufig genannt wird, hat das in Wahrheit nichts zu tun. Es handelt sich eher um die temporäre Auslagerung von Profiten eines staatlichen Monopols. Denn: Wer in Lichtenrade wohnt und am Potsdamer Platz arbeitet, fährt mit der S2 zur Arbeit, auch wenn ihm/ihr der Service des „Wettbewerbers“ auf einer anderen Linie vielleicht besser gefällt. Niemand wird für die Nutzung der Bahnen des Konkurrenten umziehen oder den Arbeitsplatz wechseln.
Was ist unsere Alternative?
Unser Bündnis kämpft darum, dass die S-Bahn in einer Hand bleibt und gemeinwohlorientiert, im Sinne eines sozial-ökologischen Umbaus und ohne private Profite betrieben wird. Dafür gibt es auch diverse Lösungsvorschläge. Zum Beispiel könnten die Länder Berlin und Brandenburg mit DB und Bundesregierung über einen Einstieg in die S-Bahn GmbH verhandeln. Kontrollieren beide Länder die Gesellschaft, könnte ohne aufwändiges Ausschreibungsverfahren direkt vergeben werden. Die DB könnte sogar Minderheitsanteilseigner bleiben (was auch sinnvoll erscheint, da ihr die Schieneninfrastruktur gehört). Ernsthafte Verhandlungen über eine solche langfristig sinnvolle Lösung sind nie geführt worden.
Insbesondere aber sollte eine Entscheidung mit einer entsprechenden Tragweite – mit einem Volumen von über 8 Milliarden Euro wäre die S-Bahn-Ausschreibung eines der größten Privatisierungsprojekte der letzten Jahrzehnte – nicht während der Coronakrise und ohne eine angemessene öffentlichen Debatte getroffen werden.
Senat hat sich doch schon über die Ausschreibung geeinigt
Auch wenn die Ausschreibung nun begonnen hat, ist der Kampf nicht vorbei. Der Senat kann sie zurücknehmen, rechtlich ist das möglich! Dass es auch zu relativ geringen Kosten möglich sein dürfte, zeigt der Abbruch der Wiedervergabe der Toll Collect Toll Collect GmbH, die für den Bund die die Lkw-Maut eintreibt, durch den Bund. Nach dem Abbruch der Ausschreibung 2019 ist die Toll Collect GmbH heute wieder im Eigentum des Bundes. Laut der Bundesregierung sind durch den Abbruch nur Kosten „im geringen Umfang“ entstanden. Selbst wenn es nach einem Abbruch der S-Bahn-Ausschreibung Forderungen von Bewerbern gäbe, wären die Kosten für die Allgemeinheit niemals so hoch wie bei einer Vergabe mit ihren negativen Folgen für Jahrzehnte.
Warum ist es wichtig, über die Ausschreibung zu sprechen?
Die Berliner*innen haben in der Vergangenheit verheerende Erfahrungen mit Privatisierungen in der Daseinsvorsorge gemacht. Sie wollen das nicht mehr. Unser Bündnis hat das Ziel, die Leute breit zu informieren Ähnlich wie bei fast allen Privatisierungsprojekten laufen auch hier die weitreichenden Entscheidungen weitgehend unter dem Radar der Öffentlichkeit. Wenn einige Jahre später das Desaster beginnt, sind alle langfristigen Verträge längst unterschrieben.