Wir protestieren, der Senat schafft eine Briefkastenfirma
Liebe Mitstreitende gegen die Privatisierung der S-Bahn,
es ist ein zähes Ringen: Bis zum 28. Januar konnten sich Firmen bewerben, die ein Interesse an Stücken des S-Bahn-Betriebs haben. Wir stellten uns am Stichtag bei der Senatorin unters Fenster und skandierten: „Wir haben Interesse!“ Wir, das sind die Menschen in Berlin und Brandenburg und alle, denen klimafreundlicher Verkehr am Herzen liegt. Wir wollen, dass die S-Bahn nicht privatisiert wird, sie soll stattdessen Berlin endlich zurückgegeben werden. Allerdings wurde am Vorabend der Aktion die Frist noch einmal verlängert, sie endet jetzt am 11. Februar. Trotz kurzfristiger Fristverlängerung kam unsere Aktion gut an, der RBB berichtete, später auch die Berliner Zeitung und die junge Welt (siehe auch unsere Presseschau unten).
Zuvor waren immer absurdere Details zu der Ausschreibung ans Licht gekommen. Die S-Bahn-Wagen, die vom Land Berlin gekauft werden sollen, gehen im Zuge der Ausschreibung für ihre gesamte Lebensdauer an einen Privaten – so steht es wortwörtlich in einer der zahlreichen Ausschreibungs-Unterlagen. Gleichzeitig wird eine neue Landesanstalt Schienenfahrzeuge als Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR) gegründet, und das nennen die Befürworter der Privatisierung von Rot-Rot-Grün dann „Kommunalisierung“. Wird die Landesanstalt Schienenfahrzeuge so etwas wie eine zweite BVG? Nein, denn das Abgeordnetenhaus will, dass die neue AöR eine staatliche Briefkastenfirma wird. Im Gesetzentwurf heißt es in §2 zu den Aufgaben:
„Dabei beschränkt sich die Betätigung der Landesanstalt auf die Verwaltung und Nutzungsüberlassung des erworbenen Vermögens an Dritte als Betreiber; eine eigene aktive Betätigung im Schienenpersonennahverkehr oder in der Durchführung von Service- oder Werkstattleistungen für die Fahrzeuge findet nicht statt.“
Der nächste Stichtag für „Dritte als Betreiber“, ihr Interesse zu bekunden, die S-Bahn-Wagen für ihre gesamte Lebensdauer „überlassen zu bekommen“ ist also der 11. Februar, das ist schon übermorgen. Inspiriert von der Witterung starten wir dieses Mal eine E-Mailaktion im Schneeball-System. Jeder von uns – und möglichst auch jeder von euch ! – verschickt digital drei Schreiben: Eine E-Mail an die Senatorin Regine Günther, ein Schreiben an den Petitionsausschuss und eine E-Mail an einen Freund oder eine Freundin.
Regine Günther fordern wir auf, die Ausschreibung abzubrechen und stattdessen bei der Deutschen Bahn die Herausgabe der S-Bahn zu verlangen.
Über den Petitionsausschuss fordern wir die Abgeordneten auf, den oben zitierten Passus aus dem Gesetzentwurf zu streichen, weil der aus der Landesanstalt Schienenfahrzeuge faktisch eine „Scheinanstalt Landesfahrzeuge“ machen würde.
Der Freundin oder dem Freund senden wir diese E-Mail weiter – mit der Bitte, ebenfalls drei Schreiben zu versenden.
Unten haben wir Mustertexte dazu entworfen, ihr könnt euch gerne daran orientieren oder die Texte ganz übernehmen.
Solidarische Grüße
Eine S-Bahn für Alle
Mustertext für eine E-Mail an Verkehrssenatorin Regine Günther (senatorin@senuvk.berlin.de):
Sehr geehrte Frau Günther,
am 11.2. endet eine Frist im Rahmen der Ausschreibungen zur S-Bahn Berlin, die Sie veranlasst haben; für das Interessenbekundungsverfahren. Ihre Ausschreibung läuft auf eine Privatisierung und Zerschlagung der S-Bahn hinaus. Zudem soll für neue Wagen für mindestens 30 Jahre eine Öffentlich-Private Partnerschaft (ÖPP) eingerichtet werden. Ich sehe durch die Ausschreibung und ÖPP-Vorhaben die S-Bahn als ökologisches Verkehrsmittel massiv gefährdet, technisch und durch die zu erwartenden enormen Mehrkosten. Auch die Beschäftigten erwartet nichts Gutes. Laut Aussage der Deutschen Bahn haben Sie selbst nie das Interesse von Berlin an der S-Bahn bekundet, warum? Die letzte Anfrage für einen Mehrheitskauf von Anteilen an der S-Bahn Berlin GmbH liegt neun Jahre zurück. Machen Sie der DB ein neues Angebot für die Kommunalisierung der S-Bahn! Wie wir und Sie wissen, benötigt die DB dringend Geld. Und brechen Sie die zerstörerische Ausschreibung ab. Je länger das dauert, desto teurer wird es für uns als Kundinnen, Kunden und Steuerzahlende.
Mit freundlichen Grüßen
…..
Mustertext für eine Petition an das Abgeordnetenhaus von Berlin (hier eintragen: www.parlament-berlin.de/de/Das-Parlament/Petitionen/Online-Petition-Formular):
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
der S-Bahn Berlin droht eine Zerschlagung und Privatisierung in kaum vorstellbarem Ausmaß. Die Ausschreibung von Verkehrssenatorin Günther führt direkt zu dem Modell der teuer gescheiterten Privatisierung der Londoner Metro vor 10 Jahren. Eine Kommunalisierung wie z.B. durch den Mehrheitskauf von Anteilen an der S-Bahn Berlin GmbH wurde demgegenüber nicht einmal versucht. Stattdessen soll sogar eine staatliche Briefkastenfirma eingerichtete werden: Die neu geplante Landesanstalt Schienenfahrzeuge soll als Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR) nichts weiter dürfen als Steuergeld an Private durchzureichen! Das wäre ein Skandal. Aber Sie können das als Gesetzgeber abwenden. Streichen Sie §2 (2) aus dem Errichtungsgesetz, in dem der AöR die „eigene aktive Betätigung im Schienenpersonennahverkehr“ und die „Durchführung von Service- oder Werkstattleistungen für die Fahrzeuge“ explizit untersagt werden soll.
In der laufenden Ausschreibung (im Entwurf für den Instandhaltungsvertrag) wird dann festgelegt, dass ein Bieter – nicht die Landesanstalt Schienenfahrzeuge ! – die Wagen über deren gesamte Lebensdauer bekommt. Dieser Bieter soll sich sogar „durch einen Verkauf der Vergütungsansprüche“ refinanzieren dürfen! Damit würden die Wagen zum Spielball auf den internationalen Finanzmärkten.
Wir sind der festen Auffassung, dass die S-Bahn Berlin den Menschen in Berlin und Brandenburg zusteht. Wenn es eine Landesanstalt Schienenfahrzeuge geben soll, muss sie auch handlungsfähig sein.
Mit freundlichen Grüßen
…
Mustertext für eine Weiterleitung an Freundinnen und Freunde:
Liebe … , lieber … ,
diesen Donnerstag, am 11.2. wird die Privatisierung der S-Bahn Berlin ein Stück weiter vorangetrieben. Konzerne durften sich bewerben – hinweg über die Köpfe der Menschen, für die die S-Bahn wichtig ist. Eine Kommunalisierung wird hingegen noch nicht einmal versucht! So geht es nicht, finde ich, deswegen habe ich der Verkehrssenatorin Regine Günther eine kurze E-Mail geschrieben. Ich habe auch einen kurzen Eintrag ins Petitionsformular des Abgeordnetenhauses gemacht. Bisher unterstützt das Parlament nämlich die Senatorin bei der Zerschlagung der S-Bahn. Ein neuer Gesetzentwurf soll sogar ermöglichen, dass Private auf S-Bahn-Wagen Kredite aufnehmen können, mit denen dann spekuliert werden kann. Hilf mit, das zu verhindern, nimm Dir fünf Minuten Zeit und schreibe auch an Günther und ans Abgeordnetenhaus. Unten findest Du Vorlagen dazu und die Adressen
Dein …
PS: Wenn möglich, informiere auch andere von dieser Aktion. Je mehr Menschen sich jetzt äußern, desto besser stehen die Chancen, noch Einfluss zu nehmen – schließlich sind bald Wahlen!