Die nächste Krise droht; Neue Verzögerung bei S-Bahn-Vergabe

Die Sorgen vor einem Fahrzeugmangel bei der Berliner S-Bahn werden immer größer. Grund sind die anhaltenden Verzögerungen beim Verfahren zur Vergabe des Betriebs großer Teile des Berliner S-Bahnnetzes.

Nun hat der Senat erneut die Abgabe der verbindlichen Angebote für die Ausschreibung für Wagenlieferung und Betrieb von zwei der drei Teilnetze, Nord-Süd und Stadtbahn, verlängert. Die verbliebenen Wettbewerber müssen die Unterlagen nun bis 27. März 2025 einreichen, teilte ein Sprecher der Senatsverkehrsverwaltung dem Tagesspiegel mit. „Die Zuschlagsentscheidung ist nunmehr für das dritte Quartal 2025 vorgesehen.“

Ob es dabei bleibt, ist unsicher. Mehrfach hat der Senat den Termin für die finale Angebotsabgabe verschoben. Dadurch verzögert sich nun auch erneut die geplante Betriebsaufnahme. Für das Teilnetz Stadtbahn gilt als Termin nun der 17. Februar 2031. Der ausgeschriebene Betrieb im Teilnetz Nord-Süd soll am 28. April 2031 starten.

Die Verzögerung beträgt damit auf den Nord-Süd-Linien fast viereinhalb Jahre. Ursprünglich sollte dort der Betrieb bereits im Dezember 2026 beginnen. Auf der Stadtbahntrasse war der Beginn zunächst für den 1. Januar 2028 avisiert. Durch die anhaltenden Verzögerungen rücken nicht nur die geplanten Angebotserweiterungen im S-Bahnnetz in weitere Ferne. Immer drängender stellt sich die Frage, ob Berlin schon in wenigen Jahren in eine neue S-Bahn-Krise schlittert.

Eine der größten Ausschreibungen dieser Art Beim Berliner S-Bahnvergabe-Verfahren handelt es sich um eine der größten Ausschreibungen dieser Art europaweit. Der Auftragswert liegt insgesamt bei mindestens 5,4 Milliarden Euro. In insgesamt vier Losen wird dabei der Betrieb auf den jeweiligen Teilnetzen für 15 Jahre sowie Beschaffung neuer Züge für die Strecken sowie deren Wartung für einen Zeitraum von 30 Jahren ausgeschrieben. Bis dahin wird der Betrieb der Berliner S-Bahn durch die Deutsche Bahn mit Interimsverträgen verlängert. Allerdings ist unklar, ob bis dahin für den Betrieb auch genügend S-Bahn-Wagen durchhalten.

Konkret geht es um die Baureihe 480. Die 65 Bestandsfahrzeuge müssen „nach jetzigem Stand beginnend ab 2029 in die Abstellung gehen“, schreibt die Verkehrsverwaltung. Die ersten zehn Viertelzüge müssten demnach bereits 2029 auf den Schrott. Für jeweils 19 Fahrzeuge endet die Zulassung 2030 und 2031. Die letzten 17 Wagen müssen nach aktuellem Stand 2032 aus dem Betrieb genommen werden. Die S-Bahn würde dann mit akutem Fahrzeugmangel kämpfen – ein Horrorszenario für den Nahverkehr. Um dies doch noch zu verhindern, überprüft die Deutsche Bahn seit Ende 2024 den Zustand der in die Jahre gekommenen Fahrzeuge.

„Alter und Zustand des derzeitigen Fahrzeugparks der S-Bahn Berlin GmbH lassen ohne zügigen Ersatz durch neue Fahrzeuge eine dramatische Entwicklung befürchten“, erklärt Christfried Tschepe, Vorsitzender des Berliner Fahrgastverbands Igeb. Der Verband beklagt, dass sich die Länder Berlin und Brandenburg in der Ausschreibung noch immer nicht auf die richtige elektrische Spannung für die Neufahrzeuge geeinigt hätten. Dass das Thema nun erneut diskutiert werde, verstärke den Verdacht, „dass die Länder Berlin und Brandenburg mit dem beispiellosen Ausschreibungsverfahren überfordert sind und über immer neue ,Sachargumente’ die Ausschreibung bewusst verzögern“, konstatiert Tschepe.

Die Verkehrsverwaltung nennt als Grund für die Fristverschiebung „noch andauernde Abstimmungen mit dem Land Brandenburg“. Der Fahrgastverband hat die beiden Länder als Schuldige ausgemacht. Der Igeb-Vorsitzende Tschepe sagt: „Die bald nicht mehr abzuwendende Fahrzeugkrise ab 2030 werden die Länder Berlin und Brandenburg zu verantworten haben.“

von Christian Latz, 09.02.2025, Der Tagesspiegel